Ich bin fürs Impfen - aber Streiten bringt nix

Ich hab heute einige Male unter Posts zur Impfung auf impfkritische Kommentare reagiert. Habe immer versucht, ruhig und sachlich zu bleiben, nach Quellen zu fragen, Verständnis für die Ängste der gegen die Impfung Wütenden zu zeigen. Das ist nicht immer einfach, ich habs auch erst lernen müssen. Die Emotionen, die hier tief fliegen, sind mehr als nur heftig, persönliche Attacke nach der ersten Replik keine Seltenheit. 

Aber eines hab ich im Lesen der vielen Kommentare heute gelernt: Es ist sinnlos, Antivaxxers zu beschimpfen, für deppert zu erklären oder sie zu verarschen. Das wird sie genau keinen Zentimeter umstimmen, das wird nichtmal das Türchen in den "Ich hör mir zumindest mal die Gegenargumente an"-Raum auch nur einen Millimeter weit öffnen. Man muss auf die Gegenargumente sachlich eingehen, und wenn sie ein kompletter Schwachsinn sind - ich hab bereits erlebt, wie jemand völlig überzeugt meint, die Person am Foto sei nicht geimpft, weil der Impfstoff ja gelb sein müsse von den Ölen, die wiederum "Elergien" auslösen, oder eine an sich vernunftbegabte Person erklärte, sie lasse sich nicht impfen, weil sie wolle ja irgendwann mal schwanger werden - und ruhig dagegenhalten. Nach Quellen fragen. Bereitschaft zeigen, sich die Gegenseite anzuhören. Nur dann - zumindest bin ich davon überzeugt - können wir uns aufeinander zubewegen. 

Man lässt sich verdammt leicht in das emotional aufgeladene Gegeneinander hineintreiben, mir ist es auch schon passiert. Es bringt nur nix. Und irgendwie müssen wir die in Österreich unfassbar niedrige Impfbereitschaft ändern. Durchs sich gegenseitig Beschimpfen wird es nicht funktionieren.

Man kann nur versuchen, Fakten zu liefern, und ich versuch, da mal meinen Beitrag zu liefern und entschuldige mich gleich vorab fürs Herumgscheiteln, ich versuche hier lediglich eine Argumentationssammlung zu erstellen (sollten mir da Fehler unterlaufen sein, bitte ich um sachliche Korrektur, danke!). 

  1. Die Impfungen zeigen einen hohen Wirkungsgrad, weitaus höher als bei der Grippeimpfung zum Beispiel, und sie halten aller Wahrscheinlichkeit nach mehrere Jahre. 
  2. Man kann das Virus zwar weitergeben, aber man erkrankt nicht mehr schwer daran. Und das ist der Sinn der Sache. (Ausnahme: Der Impfstoff von Astra Zeneca, erstens nicht RNA für all jene, die davor Angst haben, sondern Vektor-Impfstoff, und zweitens schützt er auch vor Ansteckung. Allerdings Achtung: Die bisherigen Tests ergaben bisher eine verrigerte Wirksamkeit im Vergleich zu den bereits zugelassenen Impfstoffen.)
  3. Corona ausrotten ist ein Ding der Unmöglichkeit und wird nicht passieren. Es kann nur darum gehen, die Menge der Ansteckungen und vor allem den Ausbruch schwerer Erkrankungen durch das Virus zu minimieren.
  4. RNA-Impfstoffe greifen nicht in die körpereigene DNA ein, auch nicht "irgendwann später". 
  5. Die Impfstoffe machen nicht unfruchtbar
  6. "Spätfolgen" zeigen sich im Normalfall (also auf Basis aller bisher erforschten Impfungen) im Zeitraum von bis zu etwa zwei Monate nach der Impfung. Es ist sehr, sehr unwahrscheinlich, dass die Menschen ein Jahr nach der Impfung plötzlich schwere Impfschäden haben werden. Ja, Phase3 Studien, die maximal ein bis zwei Jahre laufen, laufen noch, aber es gibt bisher sehr gute Ergebnisse ("Dennoch können Expert:innen für den Moment Rückschlüsse im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen aus vergangenen Forschungsprojekten ziehen, die in Verbindung mit vergleichbaren Inhaltsstoffen standen. Grundsätzlich deuten bislang keine Untersuchungen auf schwere Nebenwirkungen oder Langzeitfolgen hin." steht beim deutschen Gesundheitsministerium). Also: Ja, das ist ein valides Argument, dass man da warten möchte, die Forschung sagt aber: Die Wahrscheinlichkeit von Impfschäden ist sehr gering. 
  7. Wissenschaft sagt übrigens nie "absolut" sichere Wahrheiten, sondern entwickelt sich kontinuierlich weiter, und das ist auch der Sinn der Sache.
  8. Nein, deshalb sind wir keine "Versuchskaninchen", das haben gut 40.000 Leute vor uns schon erledigt, auch schon seit weit über zwei Monaten. 
  9. Wenn man nur auf die Nebenwirkungen schaut, sollte man normalerweise auch auf die Nebenwirkungen von ganz normalen, vielleicht sogar rezeptfreien Medikamenten schauen. Zwecks Vergleichbarkeit und Risikoeinschätzung. Ich werte hier nicht, wer sich danach nicht impfen will, sollte aber halt überlegen, ob er danach noch jemals ein Aspirin schlucken will
  10. Besonders für Risikogruppen ist die Gefahr, an Covid ernsthaft zu erkranken, nachgewiesenermaßen sehr viel höher als die Gefahr der Nebenwirkungen der Impfung. Ein Viertel aller Männer über 85, die sich anstecken, stirbt. Den Aussagen mehrerer Ärzte zufolge verlässt gut die Hälfte aller Personen, die mit einer Coviderkrankung auf die Intensivstation kommen, diese nicht lebend. Diese Zahlen sehen wir gerade in den täglichen Statistiken (der Anteil derer, die "mit" und nicht "an" Coronaviren stirbt, ist gering). Hier geht es nicht um eine Diskussion, wer welche Statistik gefälscht hat, wem sie nutzt oder dass die Maßnahmen überzogen sind, hier geht es rein darum, dass erwiesenermaßen Menschen an Covid sterben und es durch den hohen Ansteckungsgrad auch bei niedriger Sterblichkeit für hohe Todeszahlen sorgt, die durch die Impfung drastisch gedämpft werden können. 
  11. Bei Geschichten wie "Man kriegt Geld nach dem Tod eines Verwandten, wenn man erlaubt, dass er als Coronatoter in die Statistik geht", "Die Krankenstationen sind leer" und ähnlichem: Bitte fragt nach Quellen, nach dem Ursprung der Geschichte.
  12. Die Menschen sterben in der massiven Mehrheit wirklich AN Covid und nicht mit. Und ganz persönlicher Kommentar: "Die würden eh paar Wochen später sterben" ist das zynischste Argument, das in der Pandemie jemals gefallen ist. Würdet ihr das auch sagen, wenns um eure Oma geht? 
  13. Ganz wichtig: Ja, es ist sogar wahrscheinlich, dass die meisten von uns nach der Impfung Nebenwirkungen spüren. Schmerzen an der Einstichstelle, leichtes Fieber, Müdigkeit, vielleicht sogar milde Erkältungssymptome. Das ist nicht alarmierend, sondern ein Zeichen, dass die Impfung wirkt. Die sorgt dafür, dass man Antikörper entwickelt - ohne vorher eine Infektion und damit das Risiko einer ernsthaften Erkrankung durchmachen zu müssen. 
  14. Wer zu schweren allergischen Reaktionen neigt, soll bitte sehr vorsichtig sein, sich vorab bei medizinischem Personal, das über Expertise in Sachen Impfstoff und zugehöriger Forschung verfügt, informieren, aber bitte nicht bei Dr. Google und Mag. Facebookkommentar. Gleiches gilt für Menschen mit anderen schweren Vorerkrankungen - es passiert gerade sehr viel Forschung dazu und es wird sicher eine Form von Impfstoff geben, die nicht schädlich ist. 
  15. Kinder werden nicht geimpft aus genau dem Grund, aus dem so viele Impfgegner Angst haben: Weil er für Kinder noch nicht ausreichend erforscht ist, weil deren Immunsystem anders reagiert. 
  16. Niemand spricht von einem Impfzwang. Den wird es in Österreich von Regierungsseite wohl nicht geben, auch namhafte Experten wie Dr. Florian Krammer raten davon ab. Ich halts auch nicht für schlau, weil sich dadurch nur noch mehr Widerstand bilden kann. Es ist wirklich jeder Person selbst überlassen, ob sie sich impfen lässt oder nicht, und das soll im Sinne der Freiheit und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit auch so sein. Man kann nur versuchen, sachlich zu informieren zu zu zeigen, dass die Impfung weder Chips enthält, Bill Gates bereichert, unfruchtbar macht oder zur politischen Manipulation der Massen gedacht ist - sondern einzig und allein dafür, die Sterblichkeit von Covid 19 signifikant zu senken und so das Ende der Pandemie einzuläuten. Und zeigen, dass die Unversehrtheit durch eine solche Impfung potentiell (in Bezug auf Covid 19) eher erhalten bleibt als verletzt wird. 
  17. Die Entwicklung ist schneller als sonst gegangen, gerade weil die Pharma bisher wenig Interesse an Impfstoffforschung hatte, weil man an Impfungen viel weniger verdient als an Medikamenten für chronisch Erkrankte. Durch die Pandemie war plötzlich verdammt viel Interesse und Geld da, große Testgruppen wurden leichter gefunden, und bürokratisch wurde aufgrund der Dringlichkeit der Situation abgekürzt, aber nicht auf Kosten der Sicherheit der Impfstoffe.
  18. Unser Leben wird sich nicht schlagartig nach der Impfung ändern, wir werden weiterhin mit Maßnahmen leben müssen, so lange, bis eine Durchimpfung von geschätzt 60 Prozent, im Optimalfall 75 Prozent erreicht ist. Sie ist kein sofortiger Heilsbringer, aber sie ist DER Schlüssel, um mittelfristig wieder normal leben zu können.

Und ganz wichtig: Wer sich auf Basis dieser Argumente weiterhin nicht impfen lassen möchte, der/die hat auch das Recht dazu.